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Auch Schöffen sind "gesetzliche Richter"

Nach dem Grundgesetz hat jeder das Recht auf seinen „gesetzlichen Richter“ (Art. 101 GG). Das heißt, dass im Vorhinein feststehen muss, welches Gericht und welcher konkrete Richter für einen Prozess zuständig ist. Deswegen gibt es bei den Gerichten sogenannte „Geschäftsverteilungspläne“. Danach wird jährlich im Vorhinein festgelegt, dass zum Beispiel Richter A für die Anklagen mit den laufenden Aktenzeichen mit den Endnummern 1 bis 5 und Richter B für die Anklagen mit den laufenden Aktenzeichen mit den Endnummer 6 bis 0 zuständig ist.

Das Recht auf den gesetzlichen Richter gilt auch für Schöffen. Das heißt, dass im Vorhinein für ein Jahr ausgelost wird, welcher Schöffe zuständig ist, wenn ein Verfahren an einem bestimmten Tag beginnt, also zum Beispiel am 1.7.2020. Diese Schöffen bleiben dann für das gesamte Verfahren dabei, auch wenn die Hauptverhandlung viele Tage oder gar Wochen dauert.

Der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts hatte jetzt in einem Fall zu entscheiden, in dem eine Angeklagte geltend machte, das Gericht sei nicht richtig besetzt, es seien die falschen Schöffen dabei. Hintergrund war, dass die Hauptverhandlung wegen der Corona-Krise nicht an dem zunächst geplanten Terminstag begann, sondern der Beginn knapp vier Wochen verschoben wurde und erst an dem Tag begann, der regulär schon der 4. Verhandlungstag gewesen wäre. Die Angeklagte stellte sich auf den Standpunkt, es seien daher die für den zunächst geplanten Terminstag ausgelosten Schöffen zuständig, nicht die für den Terminstag, an dem das Verfahren tatsächlich begann.

Der Senat sah dies anders und bestätigte, dass der Vorsitzende der Strafkammer die „richtigen“ Schöffen geladen habe: Das Gericht sei richtig besetzt. Die Schöffen seien für den Tag ausgelost gewesen, an den die Verhandlung tatsächlich begonnen habe. Allein hierauf komme es an.

Die Verhandlung findet jetzt mit den vom Gericht hinzugezogenen, zuständigen Schöffen statt.


Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 14.05.2020, Aktenzeichen 1 Ws 190/20.


Nr. 22/2020

Bettina von Teichman und Logischen

Oberlandesgericht Oldenburg

Pressestelle

Richard-Wagner-Platz 1

26135 Oldenburg

Artikel-Informationen

erstellt am:
02.07.2020

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